Wenn ihr auf zombieapokalyptische Handlungen steht, wird euch der Anfang der „Akimuden“ wohl ziemlich gut gefallen. Moskau wird von den Toten heimgesucht. Der Ich- Erzähler, ein Schriftsteller, der generell viele Gemeinsamkeiten mit dem Autor des Romans innehat, verschanzt sich mit seiner Mutter in einer Metrostation. Hier wird er Zeuge eines blutigen Massakers durch die Toten. Die Flucht scheint beinah aussichtslos, doch plötzlich helfen ihm zwei Zombie-Damen aus der Metrostation zu entkommen. Und danach? Gehen die drei erstmal schick essen. Was erstmal ziemlich skurril klingt, ist nur ein kleiner Auftakt zu einem wirklich surrealistischen Science-Fiction-Plott. Obwohl die Toten zuerst gefährlich scheinen, gewöhnen sich die Menschen recht schnell an ihre neuen Mitbewohner. Mitbewohner trifft es hier vor allem deshalb ganz gut, weil die Gesellschaft quasi vor ganz banalen Problemen steht, wie beispielsweise die Frage, wem welche Wohnung gehört, denn die Menschen leben schließlich in den Wohnungen, in denen vorher die Toten gelebt haben. Das Dilemma wird ganz einfach gelöst, die Betroffenen schließen sich zu WG`s zusammen. Das dabei nicht immer alles ganz reibungslos von statten geht, erfährt der Leser aus der Sicht des Ich-Erzählers:
Auch in meiner Wohnung machten sich verschiedene Tote breit. Ein toter Arzt tauchte auf, der meine Wohnung im Jahre 1911 gekauft und sie im Jugendstil hergerichtet hatte. Dann kamen Sowjetfunktionäre. Ich warf sie raus, sie kamen wieder. Wir prügelten uns direkt im Flur. Sie behielten die Oberhand. Sie besetzten vier von fünf Zimmern. Ich zog mich ins kleine Schlafzimmer zurück, mit Fenster nach Norden.
Mit der Rückkehr der Toten errichten gleichzeitig die Akimuden eine Botschaft in Moskau. Hierbei handelt es sich um ein Land, dass es auf der Landkarte nicht gibt. Nach und nach stellt sich heraus, dass die Akimuden das Paradies verkörpern, das gerade zum Ende des Buches immer mehr definiert wird. Der Botschafter der Akimuden trägt den mehr oder weniger einfallsreichen Namen „Akimud“ und ist eine Art Erlöserfigur. Im Grunde genommen findet die Handlung hier ein Ende, denn was folgt ist die ausgestaltete Metapher vom politischen und gesellschaftlichen Zombietum Russlands. Dabei treten immer wieder sowohl reale als auch fiktive Charaktere auf und verstricken sich in metaphorische Handlungen und Dialoge.
Ein gutes Beispiel hierzu, stellt ein Treffen zwischen dem Botschafter Akimud und verschiedenen Schriftstellern des Landes dar. Der Botschafter ist unzufrieden mit den Ansichten der Literaten und berät sich mit dem Kulturattachè was zu tun sei:
Akimud: „Laden Sie andere Schriftsteller in unsere Botschaft ein.“
Kulturattachè: „Tolstoi und Dostojewski?“
Akimud: „Gott behüte! Die zermürben mich mit ihrer Autorität! Bitten Sie die Gesandten des Silbernen Zeitalters und den ein oder anderen aus der Sowjetzeit zu Gast…Zum abendlichen Teetrinken.“
Kulturattachè: „Laden wir auch Ausländer ein?“
Akimud: „Zum Beispiel?“
Kulturattachè: „Joyce.“
Akimud: „Er ist natürlich ein Genie, aber ich hab ihn nie zu Ende lesen können.“
Der Kulturattache sah seinen Boss vorwurfsvoll an.
Kulturattachè: „Herr Botschafter, ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Sie ihn zwei Monate lang beim Frühstück mit Vergnügen gelesen haben.“
Akimud: „Na und?“ Der Botschafter errötete leicht. „Das sagt überhaupt nichts“.
Dass die eigentliche Handlung doch recht schnell abgeschlossen ist, obwohl sich der Roman über 450 Seiten erstreckt, tut dem Werk leider einen großen Abbruch. Obwohl die Grundidee des Buches sehr gut ist, mangelt es an der Umsetzung durch viel zu viele einzelne und voneinander unabhängige Handlungsstränge. Der Autor setzt bei seinen Lesern ein absolut gefestigtes Wissen über russische Geschichte und Literatur voraus. Wer das nicht mitbringt, wird trotz der interessanten Metapher keinen Zugang zu dem Buch finden. Das intellektuelle Niveau des Werkes ist demnach sehr hoch, so dass es sich bei den „Akimuden“ wohl nicht um eine leichte Freizeitbeschäftigung handelt. Was Dem Autor dagegen sehr gut gelungen ist, sind die ironischen und witzigen Einzelsituationen, in denen auch immer wieder auf aktuelle Ereignisse hingewiesen wird, wie zum Beispiel der Kanidaturverlauf des aktuellen russischen Präsidenten Putin.
Deine Zeit ist abgelaufen. So bestimmt es das Familiengesetz. Nicht öfter als zwei Mal. Wie, nicht mehr als zwei Mal, wo ich doch für ewig will? Für ewig! Leckt mich doch am Arsch! Doch dann überlegte er einen Moment, fand sich damit ab und entschied, seine Frau dem kleinen Bruder abzutreten, denn ein gesetzestreuer Chef ist ein Vorbild für die ganze Welt. Wenn man nur zwei Mal darf, dann mache ich eben Platz. Auch das – eine Heldentat! Der kleine Bruder trat an, irgendwie kein Iwan der Dumme, aber besser wäre er ein Dummkopf gewesen, denn nur Dummköpfe haben keine Angst vor dem Chef.
Trotz der teils witzigen Situationen und Dialogen ist „Die Akimuden“ meiner Meinung nach ein eher mäßiger Roman. Wer sich gut mit russischer Geschichte und Literatur auskennt kann an diesem Werk jedoch auf jeden Fall Spaß haben, sofern er sich mit hochintellektueller Satire identifizieren kann. Wer jedoch auf eine Geschichte mit klassischem Verlauf und Spannungsbogen hofft, wird mit den „Akimuden“ eher enttäuscht.